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Aufmerksamkeit für sich

von Susanne Hagedorn

Als ich ein Kind war, und das ist lange her, war es immer ein Ereignis, wenn meine Mutter sich vorgenommen hatte, mit mir und den Geschwistern zum Einkaufen in die nächste Kreisstadt zu fahren. Man nannte es wirklich Einkaufen, es ging um Notwendiges, vom Shopping waren wir weit entfernt.

Meistens fand das Ganze freitags statt. Vorher wurden die Tage von uns gezählt und von unserer Mutter generalstabsmäßig geplant, zum Beispiel, wie die Busverbindungen zu nutzen waren - früher hatten noch nicht so viele Mütter einen Führerschein. Und natürlich - ganz wichtig - wie wir Kinder uns zu benehmen hatten! Die Großeinkäufe fanden grundsätzlich vor Weihnachten statt oder aber, wenn wir Kinder aus allen Anziehsachen herausgewachsen waren.

In der Stadt angekommen, ging es ohne Zeit zu verlieren in Richtung Kaufhaus. Es kam uns Kindern riesig vor, in Wirklichkeit war es eher ziemlich klein und würde heutzutage niemanden mehr, wie uns Kinder damals, ins Staunen versetzen. Zunächst steuerte Mutter die Angebotstische an, wo es Herrenhemden  oder Herrenpullover gab. Krawatten aus Seide nahm sie auch gerne mit, sie mussten allerdings ebenfalls im Angebot sein - die Ausstattung des väterlichen Alleinverdieners litt schließlich unter regelmäßiger Abnutzung und er musste stets tadellos gekleidet sein. Dann wurden die Einkäufe für uns Kinder - wörtlich - erledigt. Irgendwann, nachdem auch wir erledigt waren, hieß es dann: "Wir müssen zurück. Der Bus fährt gleich!“

In meiner Erinnerung ist ein kindliches Rätsel hängen geblieben: Während unsere Mutter wirklich jedes Mal die unterschiedlichsten Dinge und Bekleidungsstücke für meinen Vater und uns Kinder gekauft hatte, lagen in ihrem Einkaufskorb nur sehr selten Sachen für sie selbst - höchsten ein paar der damals üblichen Stofftaschentücher. Und auch die mussten natürlich besonders günstig sein, sonst hätte sie für sich selbst nichts gekauft.

Wenn ich heutzutage eher planlos Shoppen gehe, ertappe ich mich schnell dabei  wie ich dieses Muster, nämlich für die Familie alles zu kaufen, was diese benötigt - oder auch nur gern hätte - zum Teil tatsächlich übernommen habe - und andererseits nichts für mich selbst. Seitdem mir das bewusst geworden ist, steuere ich dagegen.

Auch ich brauche neue Kleidungsstücke! Und ich möchte mich auch einfach mal durch die Geschäfte treiben lassen und hier und da etwas für mich mitnehmen - ganz allein für mich! Und ich bin durchaus noch lernfähig. Wenn heute die Frage einer Tochter kommt: „Mamaaaa, darf ich mal dein coooooles Duschgeeeeel benutzen?“, lautet meine Antwort mittlerweile auch gern einmal: „Nein! Das ist ganz allein meins.“


2010-07-01 Susanne Hagedorn, Wirtschaftswetter
Text: ©Susanne Hagedorn
Illustrationen: ©aph
Fotos Themenbanner: ©ap
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