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Die Quoten-Mutter

von Angelika Petrich-Hornetz

Die Quoten-Diskussion ist eine seltsame Angelegenheit. Während Norwegen eine Frauen-Quote in Anlehnung an die Tatsache, dass die Hälfte der Bevölkerung weiblich ist, immerhin mit vierzig Prozent in den Vorstandsetagen durchsetzte, rudert man in Deutschland aktuell in alle Richtungen: links, rechts, ein bisschen vorwärts und dann wieder rückwärts.

Mal wird die Quote ernst genommen und man erhofft sich frischen Wind in Männerdomänen und einer rapide alternden Gesellschaft und nicht zuletzt für die Wirtschaft. Dann wird die Quote wieder als Nonsens verworfen, weil sie nichts über Leistung als solche aussagt. Doch irgendwie ist sie auch einfach da, nicht mehr wegzubekommen und erhält modifizierten Zuwachs. So hat die SPD kürzlich eine Migrantenquote von 15 Prozent beschlossen, deren Ausgestaltung (selbst Migrant, ein Elternteil Migrant, alle beide, eingebürgert oder nicht) interessant werden dürfte in der deutschen Gesellschaft, in der trotz unverändert vorhandener Klüngel- und steigender Vergreisungs-Tendenz, Vielfalt schon lange und grundsätzlich vorhanden ist, die jedoch gleichzeitig ganz oben in den Entscheiderpositionen offenbar immer noch selten ankommt.

Die Frauenquote und die Migrantenquote. Und was ist - anlässlich des Muttertages - eigentlich mit den Müttern? Väter - Ausnahmen bestätigen die Regel - mit ein oder mehreren Kindern in-house oder out-house. verfügen auch im 21. Jahrhundert häufig noch über eine Partnerin, die den Hauptanteil der Kindererziehung und interessanterweise auch der Hausarbeit stemmt. Gerade bei der Hausarbeit hinkt das politisch so gern zur Schau getragene Modell angeblicher Gleichberechtigung deutlich hinterher. Mit der Tatsache, dass in Familien mit höheren Einkommen und zwei Berufstätigen, haushaltsnahe Dienstleister, z.B. eine Putzkraft, vorhanden sind, und zwar vorwiegend weibliche, die lästige Grobarbeiten und Kleinigkeiten übernehmen, lässt sich die minderwertige Hausarbeits-Leistung beim Kochen, Waschen, Bügeln von Männern auch nicht schön reden.

In den Haushalten, in denen keine weibliche Zuarbeiterin tätig ist, verbringen Frauen dagegen nach wie vor einen großen Teil ihrer Frei- und Lebens-Zeit damit, anderen hinterher zu putzen. Einerseits wird damit im Hintergrund nicht zu knapp zur Wirtschaftsleistung beigetragen, u.a. weil Ausgaben gespart werden. Andererseits richtet diese kostenlose, freiwillige Mehrleistung einen noch schwer zu beziffernden wirtschaftlichen Schaden an, da zeitliche und andere Ressourcen der wienernden Damen in Staub und Fensterschlieren gebunden sind. Schwer zu beziffern heißt u.a., dass noch niemand genau ausgerechnet hat, ob es dem Bruttosozialprodukt dienlicher ist, wenn sie ihm den Rücken frei hält und wegen ihrer zahllosen kostenlose Dienste nur halbtags arbeitet oder ob es besser wäre, wenn sie das Bügeln seiner Hemden hin wirft und die gewonnene Zeit zur Vollzeiterwerbstätigkeit nutzt.

Zwar gibt es Studien die genau das als Ergebnis präsentieren, andererseits steigen durch die wachsenden Doppelt-Berufstätigkeiten von Elternpaaren die Ausgaben, auch die öffentlichen, u.a. für Kinderbetreuung, inklusive Beköstigung und allem, was daran hängt. Eine Tatsache die kinderfeindliche Menschen immer wieder gern als Argument anführen, wie viele Steuergelder in die Zukunft investiert werden, notorisch die Tatsache ignorierend, dass sie selbst im Alter möglicherweise ein Vielfaches dessen kosten werden, was sie in die nächste Generation gesteckt haben, weil ohne eigene Kinder, die diese Aufgaben übernehmen, selbst das Anziehen von Thrombosestrümpfen berechnet werden wird.

Und der Haushalt? Auch mit aushäusiger Kinderbetreuung oder ohne Kinder bleibt dieser in Deutschland bislang vor allem an ihr hängen. Die Rolle, die ein Großteil der Männer hier spielt, kann man höchstens unter freundlicher Mitarbeit abhaken. Erstaunlich ist diese jahrzehntelange Kontinuität der einseitigen Verteilung von Hausarbeit auch in dem Zusammenhang, dass gleichzeitig die Geburtenrate in den Keller ging. D.h. seine Hemden werden zwar nach wie vor akkurat (von ihr) gebügelt, nur lärmen heutzutage nicht mehr zwei oder drei Kinder ums Bügelbrett herum, sondern höchstens noch eins oder gar keins.

Die saubere Wohnung, das gebügelte Hemd, die vom Staub befreiten Bücherregale, Flachbildschirme und Bodenvasen, die blitzblank gewischte Einbauküche blieben uns also erhalten. Aber die zumindest mit-gepflegten Kinder wurden inzwischen wegrationalisiert. Die jüngste Forsa-Studie im Auftrag der Zeitschrift Eltern ergab, dass sich das Gros junger Erwachsener bis 30 Jahre zwar immer noch Kinder wünscht, doch gleichzeitig ihr Leben als solches bereits als anstrengend genug empfindet - und mit steigendem Alter die Bereitschaft für (weitere) Einschränkungen sinkt. Die Kapazitäten für die Aufzucht und Pflege von Kindern scheinen damit bereits im Vorfeld erschöpft zu sein. Erst, wenn die Ausbildung, die finanzielle Basis und die Partnerschaft -. wenn alles - perfekt sei, könne man sich auf Kinder einlassen.

Mit 11 Prozent wünschen sich mehr als doppelt so viele Frauen wie Männer (5 Prozent) keine eigenen Kinder mehr. Sind sie etwa egoistisch oder perfektionistisch veranlagt, wie ihnen häufig vorgeworfen wird? Verlangen sie zu viel, wenn sie eine funktionierende Partnerschaft und einen sicheren Arbeitsplatz als Voraussetzung erwarten?

Sie denken lediglich vernünftig. Schließlich sind es die Mütter, von denen immer noch sehr häufig sowie unausgesprochen erwartet wird, dass sie den Großteil der Hausarbeit, die mit jedem Kind umfangreicher wird, übernehmen. Ein Kind ist außerdem eine lebenslange Verbindung. Von jedem Partner kann man sich trennen oder scheiden lassen - nicht von den eigenen Kindern. Genauso umgekehrt, also überlegen junge Eltern auch, wie zumutbar sie selbst für ihre Kinder bleiben werden - und müssen im Gegensatz zu den vorangegangenen Generationen zusätzlich viel mehr privat vorsorgen.

Die Demografie- und Rentenproblematik trifft zusätzlich auf das Minderheitenthema: Familien mit Kindern werden in Deutschland unaufhaltsam zu einer Minderheit, die Mehrheit wird alt und will bezahlt werden. Wer will seinen Kindern diese immer größer werdende Last zumuten?. Und wer schließt sich in einer Mehrheitsdemokratie überhaupt gern freiwillig einer Minderheit an, die - trotzdem alle anderen von ihrer künftigen Leistungsfähigkeit profitieren wollen - selbst zunehmend ausgegrenzt wird? In der Eltern-Umfrage geben 47 Prozent der Befragten ohne Kinderwunsch als Grund an: "Ich glaube, dass die Kinder von heute keine Zukunft erwartet."

Eine Gesellschaft, in der Gaststätten und Hotels u.a. gerade deshalb florieren, weil in diesen Kindern der Zutritt verwehrt wird, hat die nicht selbst Schuld, wenn sich keiner mehr dazu bereit erklärt, die Mutter = die Deppin der Nation zu werden? Die Belastungen von Familien steigen, stellt nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht immer wieder fest. Die vom hohen Gericht beschlossenen Entlastungen halten sich in der umgesetzten Praxis jedoch sehr in Grenzen. Das Gemoser einer immer ruhebedürftigeren, alternden Gesellschaft aber steigt. Ein bisschen wenig für so viel unbezahlte Arbeit.

Die jungen Frauen, die sich mit dieser eher kinderfeindlichen Stimmung nicht ernsthaft auseinandersetzen, würden sehenden Auges in Abhängigkeit oder Armut laufen. Wer würde das ernsthaft für verantwortlich halten? Und die wenigen, die noch finanzielle und zeitliche Ressourcen für mehr als zwei Kinder haben, fühlen sich in Deutschland zunehmend so, als müssten sie eine Gesellschaft für aussterbende Lebensformen gründen. 2009 lag der Anteil der Ein- und Zweipersonenhaushalte bei 74 Prozent und wird bis 2030 auf 81 Prozent steigen. Der Anteil (an allen Haushalten) von Haushalten mit drei oder mehr Mitgliedern, die vor allem aus Familien mit Kindern bestehen, sinkt dagegen von 26 Prozent im Jahr 2009 auf 19 Prozent im Jahr 2030. (Quelle: destatis)

Außerdem handelt es sich keineswegs um egoistische und exotische Wünsche: Hätte man vor dreißig Jahren gefragt, was junge Erwachsene als Voraussetzung für die Familiengründung verlangten, hätten sie auch nichts anderes als eine funktionierende Partnerschaft und einen sicheren Arbeitsplatz genannt. Und dass niemand wissentlich eigenen Kindern die Chancen von vornherein verbauen will, dürfte auch kein Argument für puren Egoismus sein, im Gegenteil.

Die Chancen mit Kind sind in diesem Land in allen Bereichen schlechter als ohne, insbesondere für junge Frauen. Somit handeln junge Frauen, die mit den Füßen abstimmen und keine Kinder oder nur noch eins bekommen, nur konsequent. Was fehlt, ist mehr Unterstützung, aber auch Wohlwollen auf allen Ebenen. Nicht zuletzt die Kinderbetreuungsinfrastruktur in Frankreich ist dort ein Grund für eine wesentlich höhere Geburtenrate. Und mit dieser ist immerhin die Gefahr gebannt, dass sich Kinder wie Exoten vorkommen und einige von ihnen ernsthaft meinen, dass Erwachsene Hunde lieber als Kinder haben. In Deutschland bleibt darum wohl nur noch die Mütter-Quote als letztes Mittel.

Schließlich soll die Frauenquote auch nichts anderes als die Chancen verbessern. Diejenigen auf einen Sitz in DAX-Vorständen sind immer noch mies und ändern sich nur marginal. Nichts anderes bedeutet auch die Migrantenquote: Die Chancen von Migranten auf aussichtsreiche Posten in Politik und Wirtschaft sind messbar deutlich schlechter als die von deutschen Staatsbürgern. Es spräche also nichts dagegen, auch eine Mütter-Quote einzuführen, wenn dieses Land ernsthaft wieder kinderfreundlicher gestaltet werden will, eine Frage die längst noch nicht beantwortet ist, jedoch längst hätte werden müssen.

Neben den bekannten fast immer noch rein männlichen und damit weitestgehend von Frauen und Müttern verschonten DAX-Vorständen sind auch unsere Parteien selten ein Vorbild: Im 23-köpfigen Präsidium der CDU finden sich ganze sechs Frauen (26 Prozent), von denen 3 Kinder haben - eine Quote von rund 13 Prozent. Von den 17 Mitgliedern des SPD-Präsidiums sind 7 weiblich (41 Prozent) und ebenfalls 3 Mütter: eine Mütterquote von rund 18 Prozent. Im 6-köpfigen Vorstand von Bündnis90/Die Grünen existieren 3 Frauen (50 Prozent), darunter 2 Mütter, eine Quote von insgesamt 33 Prozent. Von den 17 Präsidiumsmitgliedern der FDP sind 5 weiblich (29 Prozent) und zwei Mütter, Mütterquote: rund 12 Prozent. Im 12-köpfigen geschäftsführenden Parteivorstand der Linken sind 7 Frauen (58 Prozent), darunter eine Mutter, Quote: rund 8 Prozent.
Mit diesen Zahlen hat die Linke zwar die höchste Frauen-, jedoch die schlechteste Mütterquote, dicht verfolgt von FDP und CDU. Die Grünen haben zumindest im Bundesvorstand - im Parteirat sieht es schon etwas anders aus - die höchste Mütterquote, gefolgt von der SPD.

Noch ein Beispiel? Die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eingesetzte "Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung" und die "Reaktorsicherheitskommission (RSK)" werden für nichts Geringeres als die zukünftige Energieversorgung Deutschlands zumindest beratend die Weichen stellen. Und der Beteiligungsgrad betroffener Frauen und Mütter? In der 17-köpfigen Ethik-Energie-Kommission sitzen lediglich 3 Frauen (rund 18 Prozent), nach unseren Informationen befindet sich darunter nur eine Quoten-Mutter, Quote: rund 6 Prozent.
Die vom Bundesumweltministerium berufene 16-köpfige Reaktorsicherheitskommission ist komplett männlich besetzt, Frauenquote = 0 Prozent, Mütterquote:= 0 Prozent.

Man könnte natürlich auch "geschlechtergerechter" anfangen, mit einer Elternquote, die schon von einigen gefordert wurde und es damit ab- und zu sogar in die Medienöffentlichkeit geschafft hat. Schließlich sehen sich auch immer mehr Väter Ressentiments am Arbeitsplatz ausgesetzt, spätestens seit der Einführung der Vätermonate beim Elterngeld.

Das löst aber nicht das Problem der einseitigen Belastung durch unbezahlte Hausarbeit deutscher Arbeitnehmerinnen und Unternehmerinnen, Wissenschaftlerinnen, Politikerinnen etc.. Und auch nicht von den unter ihnen noch nicht vorhandenen, aber potenziellen Müttern, eine der bislang am besten ausgebildeten Frauengeneration, die sich deshalb leicht ausrechnen kann, wie viel Zeit und Geld ihr noch von bleibt, wenn sie zu Hause nicht nur die Rolle als einzige Reinungskraft für sich selbst und den Partner, sondern auch noch die der allein verantwortlichen Putzfee und Betreuungskraft für Kind und Kegel übernehmen darf.

Wie man es auch dreht und wendet, ob diese oder jene Quote: Sie haben nur einen Sinn, wenn mehr Zeit für berufliches oder anderes Engagement frei wird. Damit müsste aber zwangsläufig die unbezahlte Hausarbeits-Quote von Männern deutlich erhöht werden. Als Nebeneffekt auch des geringsten (steigerungsfähigen) Engagements winkt immerhin der nicht zu verachtende Erholungswert einer entspannten Familien- und Partnerschaftsatmosphäre, in der es sich einfach besser leben lässt.

Damit wäre auch endlich Schluss mit solchen Sätzen, die Arbeits-Kolleginnen an Montagen von sich geben - und deren Effekt auf die Geburtenquote noch nicht gemessen wurde: "Während er Fußball sah, habe ich das Bad geschrubbt." Und mit Kindern? "Während er Fußball sah, habe ich das Bad geschrubbt, das Kind gefüttert, gewickelt, spaziergefahren, gewiegt usw.?" Der Eindruck, dass der Montag und damit das Ende vom Familien-Wochenende freudig begrüßt wird, dürfte in vielen Fällen gar nicht einmal falsch sein.

Der Muttertagssonntag ist daher immer noch eine gute Gelegenheit, einen ganz persönlichen Beitrag zur Steigerung von Frauen- und Mütterquoten zu leisten.


2011-05-07 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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