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Geflügelwaschen verboten

Zur Grillsaison: Früher sinnvoll, heute veraltet, weil's einfach krank macht

von Angelika Petrich-Hornetz

Die Warnung der lokalen Food Standard Agency (FSA) für Wales war unmissverständlich, Zitat: "We are urging people in Wales to stop washing raw chicken!", Zitaende, teilte die örtlich zuständige Behörde mit. Was allerdings nicht nur in Wales und ganz Großbritannien um sich greift, gilt auch für den Rest der Welt: Rohes Geflügel vor der Zubereitung zuerst zu waschen sorgt in der Gegenwart lediglich noch für die gleichmäßige Verteilung von Erregern in der Küche.

Immer öfter gelangt mit Keimen belastetes Fleisch auf den Küchentisch. Mit dem Waschen werden diese nicht nur in der Küchenumgebung verteilt, sondern setzten vor allem die Zubereitenden selbst, aber auch die weiteren Familienmitglieder, Gäste etc. der Gefahr einer Kontamination aus. Betroffen sind diejenigen, die in der Küche nach der gleichmäßigen Verteilung der Keime, über das Waschwasser, auf Tischen, Ablagen, Arbeitsplatten, Kochuntensilien und Lichtschaltern, irgendetwas dort anfassen, auf dem die Erreger erfolgreich gelandet sind, es sei denn, man ginge dazu über, die Küche nach dem Waschen von Geflügel komplett zu desinzifizieren. Und dazu wäre wohl kaum jemand bereit oder in der Lage.

Einer der häufigsten Keime, der auf rohem Geflügel zu finden ist, ist Campylobacter, der sich auf Hähnchen, Ente, Pute und Gans wohlfühlt. Auch in Deutschland ist Campylobacter einer der üblichsten Erreger von Brechdurchfällen. Etwa 300 Fälle von Campylobacter-Infektionen pro Monat registrierte man allein in Wales und pro Jahr rund 280.000 in ganz Großbritannien, in vier von fünf Fällen konnte die Erkrankung auf kontaminiertes Geflügel zurückgeführt werden. Campylobacter ist in der Öffentlichkeit als Krankheitserreger auf Lebensmitteln nur leider weitaus weniger bekannt als Salmonellen oder Kolibakterien. Neben Bauchschmerzen, Brech-Durchfällen und Übelkeit, die bis zu einer Woche andauern können, können die Keime in einigen Fällen auch zum Reizdarmsyndrom, zu Arthritis und zum gefährlichen Guillain-Barré-Syndrom führen, schließlich sogar tödlich enden. Als besonders gefährdet, daran zu erkanken, gelten ältere Menschen und Kinder unter fünf Jahren

Besonders kritisch sind Feiertage, zum Beispiel Thanksgiving, wenn in den USA und Kanada der traditonelle Truthahn auf den Tisch kommt, und die ganze Familie das verlängerte Wochenende nutzt, aus allen möglichen Bundestaaten anzureisen, um gemeinsam zu essen und zu feiern. Entsprechend gut gefüllt sind dann nicht nur die Truthähne, sondern auch die Arztpraxen und Kliniken. Seit einigen Jahren sorgt die schöne Tradition für einen regelmäßig wiederkehrende Infektsionswelle, und stellt damit eine ebenso alljährlich wiederkehrende Gefahr dar, welche zumindest vermeidbar oder wenigstens reduziert werden könnte, wenn die Leute endlich damit aufhören würden. Geflügel zu waschen und mit dem Waschen, die Keime durch Kreuzkontamination in der Küche oder in der ganzen Wohnung zu verteilen. Was für die USA und UK billig ist, kann in der Grillsaison auch in Deutschland nur Recht sein: Man sollte die Hähnchenkeulen möglichst gleich auf den Rost legen, statt diese vor dem Grillen noch in der Küche, mit allen oben genannten Nachteilen, "sorgfältig" zu schrubben.

Dabei trifft es ausgerechnet häufig gerade erfahrene und damit ältere Herrscherinnen und Herrscher über den heimischen Herd, denn die können sich die bei ihnen seit Ewigkeiten eingebürgerte Praxis des sorgfältigen Geflügelwaschens offenbar partout nicht wieder abgewöhnen. Deshalb nennt man die daraus zwangsläufig entstehenden Infektionen auch gern "Alte-Damen-Krankheit". In Wales, so die warnende FSA waschen rund 48 Prozent aller Leute die Hühnchen, bevor diese erst anschließend gebraten, gebacken, oder gekocht werden. Doch nur das Durchgaren per Braten, Backen, Grillen und Kochen sorgt dafür, dass die Keime unschädlich gemacht werden können. Die meisten Geflügel-Wäscher wollen mit ihrer Praxis Schmutz abwaschen oder das Geflügel von Bakterien befreien - und exakt Letzteres, früher einmal zielführend, funktioniert in der Gegenwart einfach nicht mehr.

Im Vereinigten Königreich wollen die Behörden nun mit den Lebensmittelunternehmen zusammen arbeiten und dadurch einerseits für mehr Aufklärung sorgen, dass die übliche Praxis des Geflügelwaschens tatsächlich lebensgefährlich werden kann. U.a. sollen Unternehmen keine Werbespots mehr zeigen, in denen Geflügel - wider besseres Wissen - gewaschen wird. Außerdem soll die ganze Lebensmittelkette, vom Bauern bis zum Supermarkt, an einen Tisch geholt werden und an einem Strang ziehen, um den Durchseuchungsgrad von Geflügel mit Campylobacter u.a. Keimen zu reduzieren.

Die wichigsten Tipps zum Umgang mit rohem Geflügel lauten: im Kühlschrank möglichst unten lagern, damit kein Geflügelsaft andere Produkte im Kühlschrank kontaminieren kann. Die Temperatur im Kühlschrank darf 5 Grad nicht übersteigen. Rohes Geflügel nicht waschen!. Das Hähnchen, die Pute etc. sollen möglichst sofort in den Bräter, die Bratröhre oder die Pfanne und sorgfältig durchgegart werden, es darf kein rosa Fleisch mehr zu sehen sein und der Geflügelsaft sollte klar sein. Die verwendeten Kochuntensilien sollten dagegen sorgfältig gewaschen werden, auch die Hände, und zwar mit Wasser und Seife. Außerdem sollte bei der Zubereitung darauf geachtet werden, dass mit Zangen, Geflügelscheren usw., mit denen rohes Fleisch bearbeitet wurde, auf gar keinen Fall das bereits gegarte Fleisch in Kontakt kommt. Letzeres gilt natürlich nicht nur für Geflügel, sondern auch für andere Fleischsorten.

Der Generationenkonflikt ist damit vorprogrammiert. Erklären Sie uneinsichtigen Gastgebern am besten rechtzeitig, dass das Waschen von Geflügel inzwischen absolut überholt ist, damit Sie nicht noch kurz vor dem Essen eigentlich unnötige Diskussionen führen oder damit drohen müssen, sich erst gar nicht mehr an den sonst so einladenden Tisch zu setzen oder das gemeinsame Grillen zu stornieren.


2014-07-01, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
Foto Banner, Illus: Angelika Petrich-Hornetz
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