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Mein Freund, der Butler-Roboter

Smart Home mit digitalem Herzen und Künstlicher Intelligenz

von Annegret Handel-Kempf

Du bist nie allein… Künstliche Intelligenz (KI), verpackt in dienstbaren Robotern, ist der digitale Technologietrend. Haushaltsroboter wie der Zenbo von ASUS sind mehr als Befehlsempfänger im Sinne von Staubsauger-Robotern. Sie lernen vom Menschen, ahmen ihn nach, übernehmen einen Teil seiner Aufgaben, sollen eine zentrale Funktion im Smart Home einnehmen. Pikant: Dabei dokumentieren sie unser Leben.

Große Augen, Smiley-Mund, Herzchen auf dem Display und Kindchen-Schema: ASUS ist der erste Hersteller, der einen Dienstleistungsroboter ins Haus bringt, der wechselnde Emotionen vorspielt. Wo Sensorik und Chips (noch) keine echten Gefühle bei den metallischen Gefährten hervorrufen, soll die rundliche Optik der künstlich intelligenten Wesen für Sympathie bei lebendigen Zeitgenossen sorgen. Nur die kuschelige Haptik von Plüschtieren und Körperwärme fehlen, um die intuitive Distanz gegenüber den Haushaltsgenossen weiter zu verringern.

Als er Ende Mai den Zenbo auf der Computex in Taiwan enthüllte, sagte ASUS-Chairman Johnny Shih: „Seit Jahrzehnten haben die Menschen davon geträumt, einen solchen Begleiter zu besitzen: Einen der smart ist, unsere Herzen anrührt und immer zu unserer Verfügung steht. Unsere Ambition ist es, Roboter-Computer für jeden Haushalt zu ermöglichen.“

Wohl auch für jedes Familienmitglied. Denn das 599-US-Dollar-Maschinchen in Kleinkindgröße und mit Kugelkörper bietet Funktionen, die speziell auf ältere Bewohner und kleine Kinder zugeschnitten sind. Hinzu kommt Unterstützung im Alltag für alle im Haushalt Lebenden. Vor allem als Gesellschafter, Organisator und Aufsicht. Denn der Zenbo ist weniger als zupackender Haushälter, dafür aber ganz stark als Smart-Home-Zentrale zu verstehen. Das heißt, auf Zuruf regelt er beispielsweise Beleuchtung, Fernseher und Klimaanlage.

Damit könnte der Zenbo Googles Chirp ähneln. Letzerer soll laut PC-Welt und der Technikseite Recode noch in diesem Jahr auf den Markt kommen und mittelfristig eine Regiefunktion im Smart Home einnehmen. Wie der nur in den USA erhältliche Amazon-Echo soll es sich beim Chirp um einen tragbaren Lautsprecher mit Sprachsteuerung handeln. Der „Zwitscherer“ („chirp“) in Zylinderform wird wohl beispielsweise im Internet recherchieren, Verkehrslage und Wetterbericht referieren und Musik abspielen können.

Lösungen für die Smart-Home-Steuerung bzw. für den Datenaustausch im Internet der Dinge (IoT) schreibt sich zur Zeit fast jeder Hersteller aus dem IT- und Elektronik-Bereich auf die Aufgabenliste. Der putzig anmutende Zenbo ist eine neue Spielwiese für ASUS: Aus seinen KI-„Mitschnitt-Analysen“ soll unmittelbare Hilfe erwachsen. Die sehr bewegliche Maschine mit großem „Kopf“-Display will im Umgang mit Menschen immer mehr Erfahrungswissen ansammeln. Wo Menschen anderen Menschen fehlen, soll der Zenbo da sein. Sozusagen die Umkehrung des Tamagotschi-Kümmerer-Prinzips: In den 1990er-Jahren kümmerten sich Menschen um ein virtuelles Küken in einem kleinen Gerät, um gebraucht zu werden. In der digitalisierten Welt des 21. Jahrhunderts werden menschenähnliche Maschinen zu Kümmerern für Kinder und Senioren.

Der Opa ist umgefallen – schon meldet Zenbo den Notfall per Foto an ausgewählte Personen weiter. Diese können über den Roboter aus der Ferne mit dem Umgefallenen Aug-in-Aug kommunizieren. Nächstes Szenario: Der Papa liest die Geschichte vom Wolf nicht schön genug vor – Zenbo übernimmt das Gute-Nacht-Ritual. Kind hat genug vom Wolf und bittet den Roboter, mit ihm Lernspiele zu machen. Dieser dreht sich dazu gut gelaunt im Kreis. Zenbo dient als rollendes Lexikon, singt Lieblingslieder, ersetzt Papa, Mama und die Eieruhr in der Küche – mit deutlichen Einschränkungen.

Testgeräte und nähere technische Details zum Zenbo und seinen Stromverbrauch gibt es noch nicht. Das Präsentations-Video von ASUS zeigt den Roboter als Alleshelfer. Er diktiert der kochenden Mutter Rezepte – kocht aber nicht selbst. Zenbo erinnert an den Fototermin – fotografiert aber auch selbst. Der Roboter denkt von sich aus daran, den 65-jährigen Opa an seine Medikamenten-Einnahme zu erinnern – das würde der flotte Rentner im Video wohl auch noch selbst hinbekommen. Besser wirkt da schon die Roboter-Ausstattung als Haussicherheitsanlage: Zenbo registriert und fotografiert chronistisch, kann deshalb bei Einbruch auch warnen.

Der Haushaltsroboter ersetzt also Geräte und Menschen im Smart Home. Ebenbürtig? Bewusst sein sollten sich seine Besitzer, dass der Zenbo zur Schulung seines Bewusstseins alles speichert, was sich im Haus so tut.

Die Frage ist: Braucht man einen solchen Roboter mit sonorer Computer-Stimme und Butler-Funktionen? Auch in den Zukunftslaboren des Google-Überkonzerns „Alphabet“ träumte man von einem freundlichen, hilfsbereiten Haushaltsroboter, der auf zwei Beinen daherkommt. „Atlas“, Produkt eines Subunternehmens, wurde verstoßen, weil er zu bedrohlich wirkte. Freundlichere Dienstleister-Roboter sind der oben angesprochene Echo, der aufwacht, wenn man „Alexa“ ruft, nach Recherche auf Fragen antwortet, Lieder abspielt oder im Internet einkauft. Oder die im Smartphone beheimateten „Hey, Siri“ und „Okay, Google“, auf deren teils sehr amüsante Antworten man sich derzeit besser noch nicht verlassen sollte. – Der Geist ist willig, aber noch sehr beschränkt in „intelligenten“ Maschinen, die eigentlich helfen sollen.

Wie schön sind die eher einfältigen, Ufo-förmigen Haushalts-Roboter ohne KI-Ambitionen, die sich für uns unter Betten und Sofas bücken, Katzen- und Hundehaare wegsaugen, Dreck wegwischen, dem Menschen lästige Pflichten abnehmen. Soweit die Theorie. In der Praxis fordern die Putz-Ufos eine Menge Zuwendung ein. Die Fußböden vorbereiten, von wichtigen Bauklötze-Kleinteilen befreien oder übersehenes Spielzeug beim Dreckkabinen-Entleeren akribisch aus dem kleinen Staubhäufchen sortieren. Das macht aber nichts: Das Ausleeren ist sowieso mindestens einmal täglich bzw. nach dem Saugen eines größeren Zimmers nötig. Erledigt Mensch diese Aufgabe nicht schnell genug, findet er ungewollt Eingesaugtes in Häufchen und Haarknäueln, die der Staubsauger-Roboter kreuz und quer im Raum ausspuckt und verteilt.

Das Schöne an Staubsauger-Robotern als Assistenten: Sie bringen Kinder dazu, als Aufpasser mit den runden Putzhilfen herumzurutschen und dabei selbst Verantwortung für ihre Hinterlassenschaften zu übernehmen. Neben der pädagogischen, haben Putzroboter auch eine psychologische Funktion: Sie vermitteln dem Haus- und Wohnung-reinigenden Menschen das wohltuende Gefühl, kein einsamer Wegputzer des Familiendrecks zu sein, weil sie selbst mit anpacken.

Anders die neuen digitalen Familien- und Lifestyle-Assistenten. Diese sollen vorzugsweise smarte Aufgaben übernehmen. Damit sich die Menschen auf Wesentliches konzentrieren können.

ASUS-PR-Manager Daniel Möllendorf zufolge, ist der Zenbo in seiner aktuellen Form keineswegs der Zenbo, der irgendwann in Europa zu kaufen sein wird. Seine derzeitige Version sei für den asiatischen Raum gedacht. Jetzt komme es darauf an, wie die Software weiterentwickelt wird.

Das freie Zenbo-Entwickler-Programm liefert Mitgliedern Zugang zum Software-Development-Kit (SDK) mit seinen fertigen Werkzeugen und Anwendungen. Außerdem zu einer Bibliothek mit Informationen, die sie brauchen, um ihre kreativen Ideen zum Leben zu erwecken, zu finden unter Zenbo.asus.com.

Beim technischen Hinterbau mit künstlicher Intelligenz geht es um mehr als um Programmierung und Sensorik. Service-Roboter, wie der Zenbo, sollen vielmehr den Menschen ähneln, immer mehr Bewusstsein entwickeln und so zu selbständigem Handeln befähigt werden. Gurus der KI-Zukunftsszene sehen als Ultima der Robotisierung der menschlichen Gesellschaft nicht die Unterstützung des Menschen durch Roboter-Bewegungselemente und –Implantate. Vielmehr sehen sie die Überführung des menschlichen Geistes in einen menschelnden Roboter als Endpunkt einer Welt, die ohne echte Menschen auskommt. Intelligente Chips sollen den menschlichen Geist einbinden und ersetzen.

Vorerst geht es um künstliche neuronale Netze, die die Funktion des menschlichen Gehirns nachahmen. Sie sollen Roboter zum Lernen befähigen. Das Vermögen der Roboter soll darin bestehen, Handlungsanweisungen, also die Software, und all das Wissen aus vielerlei Datenbanken immer wieder neu miteinander zu verknüpfen und so zu einer Aktionsentscheidung zu kommen. Super-Computer-Sammlung und –Auswertung von Daten treten an die Stelle von Erfahrungen und Wertekategorien, die neuartige Problemlösungen bei Menschen ermöglichen. Solch ausgeprägtes Bewusstsein eignen sich Kinder in den ersten zwei Lebensjahren durch Lernen an. Dabei werden Situationen immer wieder neu bewertet.

Kartoon, zur Stelle - kostenloses FamilienmitgliedDie Konkurrenz zum Zenbo ist mannigfaltig: Das Berliner Startup pi4 robotics bietet aktuell mit dem workerbot der vierten Generation erstmals ebenfalls einen Roboter für Serviceanwendungen an. Binnen maximal einer Stunde soll sich der einarmige Service- und Industrieroboter workerbot4 ™ anlernen lassen. Anschließend ist das dünne Gliederwesen, das auf Roadshows seine Setkarten verteilt, direkt für seine gewünschte Tätigkeit voll einsetzbar. Typische Arbeitsplätze und Aufgaben für den Roboter sind: Concierge, Wachmann, Sekretariat, Catering,...

Auch Alt-Startup-Stars wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sind am Trend-Thema KI-Robotics dran. Der 32-Jährige will mit künstlicher Intelligenz im Smart Home ein voll auf ihn eingestelltes Wesen schaffen, das seiner Stimme gehorcht, seinen Freunden automatisch die Tür öffnet und Bescheid gibt, wenn sich im Zimmer von Zuckerbergs Tochter Beunruhigendes ereignet.

Viel Zukunftsmusik bei Zuckerberg, Zenbo und Co. Das aktuelle Problem all dieser intelligenten Smart-Home-Butler: Auch für knapp 600 Dollar Anschaffungspreis, plus Strom- und Verschleißkosten, sind sie immer noch teurer als unbezahlt arbeitende Familienmitglieder aus Fleisch und Blut. Und die putzen sogar den Dreck weg. Notfalls auch allein.


2016-07-14, Annegret Handel-Kempf, Wirtschaftswetter
Interview + Text: ©Annegret Handel-Kempf
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