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Puigdemont fährt Katalonien an die Wand

Kommentar

von Angelika Petrich-Hornetz

Nach dem wochenlangen Konfrontationskurs mit Zick-Zack-Einlagen der katalanischen Regionalregierung, fragen sich viele inzwischen: Warum einfach, wenn's auch kompliziert geht? Warum ist Carles Puigdemont nicht einfach zurückgetreten, um den Weg für längst überfällige Neuwahlen freizumachen, statt Katalonien und inzwischen ganz Spanien eine solche überflüssige Krise zu bescheren?

Ein sauberer Rücktritt und Neuwahlen wären die klassische und in solch einer verfahrenen Lage auch die bessere Lösung gewesen, sowohl für Katalonien als auch für Spanien. Jetzt kommen die vom Regionalparlament tunlichst vermiedenen Neuwahlen sowieso. Zuletzt hieß es, Puigdemont sei am Ende seines Konfrontationskurses selbst für Neuwahlen gewesen. Bis zu einer offiziellen Bestätigung dessen bleibt dies jedoch reine Spekulation. Da er nur ein Regional-Regierungschef auf Gnaden der im Parlament entschlossenen Separatisten sei, hätte er angeblich nicht anders können, berichteten einige Medien. Sonst hätte man ihn womöglich schon vor Ort abgesetzt. Ein denkbar schlechtes Argument.

Vielleicht hat er sich aber auch ausgerechnet, dass er als möglicher katalonischer Märtyrer innerhalb Europas eine größere Rolle spielen könnte, als die deutlich unattraktivere eines möglichen Wahlverlierers einer Regionalwahl in Spanien? Als ernstzunehmender Verhandlungspartner für Europa ist er damit längst gescheitert. Bereits sein ständiger Richtungswechsel, erst wolle man die Unabhängigkeit verkünden, dann doch doch nicht und dann doch wieder, verstärkte lediglich die beschränkte Wirkung in Rest-Europa, das sich fragte, was dieser Mann nun eigentlich wolle - außer seinen Posten zu behalten und seinen Bekanntheitsgrad auszubauen.

Jetzt kommt die Zwangs-Entmachtung seiner Regional-Regierung. Nennt man das etwa einen politischen Erfolg? Dabei wollte er hoch hinaus und das wirtschaftlich starke Katalonien in eine glänzende Zukunft lenken, die momentan in immer weitere Ferne rückt. Die Verfassung seines Landes war ihm dabei offenbar schon bei der Durchsetzung des ominösen Referdendums herzlich egal, in das er seine Landsleute "geführt" hat. Und seine separatistischen Freunde riefen anschließend auf einmal ausgerechnet Europa um Hilfe.

Der Scherbenhaufen, den Puigdemonts egozentrisches Handeln in Spanien hinterlässt, ist riesengroß. Dafür kann es weder Verständnis noch eine Beförderung geben. Das Ziel eines Regierungschefs sollte nicht beinhalten, vor allem seinen eigenen Namen in den Schlagzeilen großer, überregionaler Zeitungen lesen zu wollen, Für einen Regenten sollte zumindest das Wohl des Landes stets wichtiger als das der eigenen Person sein. Sicher, im Parlament sitzen auch noch andere, aber in der Rolle als Regierungchef trägt Puigdemont die politische Veranwortung für das angerichtete Desaster.

Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, mit einem ordentlichen Rücktritt dem Wohle Kataloniens Genüge zu leisten und damit das Ruder in der verfahrenen Situation herumzureißen. Dazu ist es nun zu spät, Puigdemont entschied sich für nichts Geringeres als für eine Eskalation des Konflikts. Warum hatte man vor Neuwahlen nur so eine panische Angst? War man sich eines Wahl-Siegs etwa nicht mehr so sicher, wie man es jetzt sein kann, weil es eine einfache Übung ist, die Zwangsmaßnahmen ergreifende spanische Zentralregierung nun zum Feindbild zu stilisieren. Und das alles auf dem Rücken der Katalanen.

Wenn auch die Rahmenbedingungen und einige Details ganz andere sind, erinnert dieser Selbstfindungs-Trip der katalanischen Regionalregierung fatal an den doch sehr ähnlichen Fall der britischen UKIP-Separatisten - und wie sie den damaligen Premier David Cameron 2016 vor sich hertrieben, der darauf hereinfiel und das schicksalshafte Brexit-Referendum ansetzte. In Groß-Britannien ist nicht einmal mehr die Entwicklung zu einem "Klein-Britannien" ausgeschlossen. Noch mehr Kleinstaaterei ist das Letzte, was Menschen im 21. Jahrhundert gebrauchen können, sowohl im Ganzen als auch im Einzelnen. In Deutschland leistete übrigens die Bayern-Partei den katalonischen Unabhängigkeits-Bestrebungen fleißig Beifall - und das auch nicht erst seit gestern.


2017-10-27, Angelika Petrich-Hornetz
Text: ©Wirtschaftswetter
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